"Wasserstraßen müssen optimiert werden" Dortmund, den 06.08.2020
Die Binnenschifffahrt kann wertvolle Beiträge zu den Klimazielen der Politik leisten. In der öffentlichen Wahrnehmung steht sie jedoch häufig im Schatten anderer Verkehrsträger. Warum eigentlich? Wir sprachen mit Ralf Fücks, geschäftsführender Gesellschafter des Think Tanks „Zentrum Liberale Moderne“. Davor war Fücks unter anderem Co-Vorsitzender der Grünen und Umweltsenator in Bremen.
Herr Fücks, Deutschland will seinen Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen bis 2030 um 55 Prozent reduzieren im Vergleich zu 1990. Bis Mitte des Jahrhunderts soll die Bundesrepublik weitgehend klimaneutral werden. Welchen Beitrag kann die Binnenschifffahrt zum Gelingen dieses Ziels beitragen?
Fücks: Bei einem absehbar steigenden Güterverkehrsaufkommen brauchen wir als Transitland mehr Verkehrsanteile auf Wasserstraße und Schiene. Hinsichtlich des Flächenverbrauchs ist die Binnenschifffahrt bereits ein umweltfreundlicher Verkehrsträger. Künftig müssen See- und Binnenschiffe aber auch mit Blick auf ihre Schadstoff-Emissionen umweltfreundlicher werden. Das erfordert neue Antriebssysteme und klimaneutrale Kraftstoffe. Gleichzeitig muss das System Wasserstraße optimiert und besser in einen übergreifenden Verkehrsverbund eingebunden werden.
2019 hatte ein ranghoher Vertreter des Bundesverkehrsministeriums auf einer Veranstaltung im Ruhrgebiet ausgerufen: „Das Zeitalter des Binnenschiffs kommt erst noch“. Ist das so? Und welcher Weg führt zur Verwirklichung dieser Vision?
Fücks: Wer die Vision wahrmachen will, muss auch über Infrastrukturen reden – das ist eine Investitionsfrage. So brauchen wir beispielsweise dringend mehr Investitionen in die Modernisierung von Schleusen als Engpässen im Binnenschiffsverkehr. Zugleich gibt es wachsenden Druck zur Renaturierung von Flüssen. Es kann also dazu kommen, dass sich zwei umweltpolitische Ziele verhaken – Naturschutz auf der einen Seite und die Verlagerung des Verkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger auf der anderen Seite. Dieser Zielkonflikt muss möglichst schon im Vorfeld bearbeitet werden.
Im Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung ist die Bahn deutlich präsenter als das Binnenschiff – auch was Investitionen und Förderprogramme angeht. Dabei liegt das Binnenschiff beim CO2-Ausstoß nur gering über den Durchschnittswerten der Bahn und ist hinsichtlich der Lärmemissionen wesentlich umweltfreundlicher. Wieso steht das System Wasserstraße nicht stärker im Fokus?
Fücks: Nach meiner Einschätzung ist das so, weil man der Bahn ein erheblich größeres Ausbaupotential zuschreibt. Es fehlt an konkreter Phantasie zu den Entwicklungspotentialen des Binnenschiffverkehrs. Der Zug ist außerdem ein Verkehrsmittel, mit dem fast alle vertraut sind. Die Modernisierung der Bahn ist Gegenstand alltäglicher Debatten. Hier ist die Binnenschifffahrt im Nachteil. Für eine stärkere Thematisierung fehlt in der Öffentlichkeit häufig genug das nötige Basiswissen.
2018 wurden in Deutschland etwa 3,2 Milliarden Tonnen an Gütern per LKW transportiert – das entspricht im Vergleich der Verkehrsträger einem Anteil von 79 Prozent. Gleichzeitig verursacht der Straßenverkehr fast 95 Prozent der externen Kosten des Verkehrs durch Klimabelastung, Unfälle, Lärm etc. Ist für einen zukunftsfähigen Verkehrsmix mehr staatliches Engagement geboten?
Fücks: Es fehlt angesichts des wachsenden Verkehrsaufkommens eine langfristige Strategie für die Zukunft der Mobilität. Verkehrsverlagerung von der Straße auf andere Verkehrsträger ist richtig, aber kein Allheilmittel - schließlich haben auch Schiene und Wasserstraße ihre Kapazitätsgrenzen. Bedeutsamer ist es, alle Verkehrsträger gleichzeitig in Richtung Klimaneutralität weiter zu entwickeln, den LKW ebenso wie das Binnenschiff.
Auf Konsumgütern werden für die Verbraucher/innen eine Vielzahl an Eigenschaften transparent gemacht, zum Beispiel, ob sie fair gehandelt wurden. Braucht es im Markt künftig Hinweise darauf, wie klimafreundlich ein Produkt transportiert wurde, um umweltfreundliche Verkehrsträger im Wettbewerb zu stärken?
Fücks: Ich halte wenig davon, die Flut an Detailinformationen zur Umweltfreundlichkeit von Gütern und Produkten immer stärker auszuweiten. Stattdessen plädiere ich für integrierte Kennziffern, in denen auch die Art des Transports mit einer angemessenen Gewichtung berücksichtigt werden sollte.
Klimaschutz heißt für viele vor allem Verzicht und Verbote. Ist das der richtige Ansatz, um etwas zu bewirken oder erzeugt dies am Ende nur weitere Probleme?
Fücks: Ich bin ausgesprochen skeptisch gegenüber dem wachsenden Trend zu Verzicht und Verboten und setze demgegenüber auf Innovation und marktwirtschaftliche Anreize. Individuell kann Verzicht ein Gewinn sein; gesamtgesellschaftlich eröffnen Verzicht und Verbote keinen Ausweg aus der Klimakrise. Was wir angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und Weltwirtschaft brauchen, ist eine Entkopplung von Wohlstandsproduktion und Naturverbrauch. Das ist nicht zuletzt für den Transportsektor eine große Herausforderung. Die Binnenschifffahrt kann hier ihren Teil zum Gelingen beitragen.
Herr Fücks, wir bedanken uns für das Interview
Das Interview führte Pascal Frai, Pressesprecher der Dortmunder Hafen AG